Sonntag, 10. Januar 2016

Wenn wir dem Tod die Hand reichen ...

... dann bleibt die Liebe in ihrer reinsten Form bei uns zurück

Zu diesem Text wurde ich inspiriert, als ich in den Weiten des Internets eine Notiz fand, mein jüngster Sohn hätte ein Vorwort zum neuen Gedichtband von Martin Schindler geschrieben. "Sehnsucht schweigt" heißt dieser Gedichtband. Ihr findet einen Hinweis darauf, wenn Ihr diesem Link hier http://www.schattentaenzer.de/ folgt und danach unter Releases und dann Bücher weiter sucht.

Es erinnerte mich spontan an einen Satz, den mein Sohn früher einmal auf die damalige Homepage von Mantus schrieb, der da lautete:

"Wir müssen dem Tod die Hand reichen, um zu erfahren, dass wir wahrhaftig leben."

Ich glaube, so ist das richtig. Vielleicht war dieser Satz auch ein klein wenig anders, hatte aber diesen Sinn.

Mein jüngster Sohn reichte bereits als Baby gemeinsam mit mir dem Tod die Hand, als ich bei seiner Geburt vorübergehend einen Herzstillstand hatte. Ich weiß nicht, inwiefern sich ein so kleines Kind an diesen vorübergehenden Todeszustand erinnern kann, aber vielleicht bleibt es für immer in seinem Unterbewusstsein haften. Ich selbst erinnere mich genau an diesen Todeszustand. Ich erinnere mich daran, wie ich bereits aus meinem Körper sozusagen herausgetreten genau verfolgen konnte, wie die Menschen um mich herum um unser Leben gekämpft haben, auch mein Ex-Mann. Egal wie mein Ex ansonsten gewesen sein mag, ich habe das nie vergessen und bin ihm auch auf ewig verbunden deshalb. Er hat mit allen Kräften, die ihm zur Verfügung standen, mitgeholfen, unser Leben zu retten .. und ich habe seine Verzweiflung und Angst miterlebt, weil er befürchtete, uns beide für immer zu verlieren.

Ich habe die Liebe wahrnehmen können, die egal wie er gewesen sein mag, dennoch da war .. und im Angesicht des Todes wie ich schon sagte in ihrer reinsten Form.
Wir haben überlebt, mein Sohn Marius und ich. Ich nahm den Kampf erneut auf, mich mit allen Kräften, die mir zur Verfügung standen, um meine große Familie zu kümmern, jede Schwierigkeit, de sich uns in den Weg stellte, als Herausforderung zu betrachten, damit fertig zu werden. Denn ich bin davon überzeugt, dass der Sinn des Lebens darin besteht zu erkennen, dass Gott uns auf die Welt oder in die verschiedenen Welten, in denen wir uns behaupten müssen, deshalb schickt, um zu lieben und für die, die wir lieben, da zu sein und zu kämpfen.
Ich habe dem Tod, nicht nur meinem eigenen, sondern auch bei Menschen und auch geliebten Haustieren, schon öfter die Hand reichen müssen.
 
Mein Großvater starb, als ich 18 Jahre alt war. Ich habe ihn sehr geliebt. Er war für mich Opa und Vater zugleich, weil ich meinen eigenen Vater nie habe wirklich kennenlernen dürfen. Meine Mutter und ich wussten damals nicht, dass Opa sterben würde. Ich glaube allerdings, er selbst wusste es. Er verblutete innerlich an einem durchgebrochenen Magengeschwür. Er bat uns in der Klinik, an seinem Bett sitzen zu bleiben, bis er eingeschlafen sei. Ihm wäre so kalt und er wäre so müde. Wenn er schlafen würde, sollten wir gehen. Wir taten das damals. Am nächsten Morgen war er tot. Zurück blieb nur das Gefühl, das wir für ihn hatten, die Liebe in ihrer reinsten Form.
Meine Oma folgte ihrem Mann. Ich bin sicher, sie wollte ihm folgen, und das so schnell wie möglich. Manchmal ist die Liebe stärker als der Wunsch, noch auf dieser Welt zu bleiben. Sie starb nur sechs Monate nach ihm. Wir behielten sie zu Hause und haben sie bis zu ihrem Tod gepflegt. Sie ging ganz leise eines Nachts. Auch von ihr blieb nichts anderes zurück als Liebe. Wenn ein Mensch uns verlässt, bleiben die vielen Probleme und Problemchen, die man vielleicht miteinander hatte, als unwichtige Erinnerungen zurück. Wichtig ist nur die Erinnerung an die Liebe, die ebenfalls da war.

Das ist auch so, wenn die Kinder erwachsen werden. Die Erinnerung an die Zeit, in der wir die Aufgabe hatten, uns um sie kümmern zu dürfen, damit sie aufwachsen konnten, die bleibt für immer, egal was später kommt.
Tiere werden nicht so alt wie wir Menschen. Ich liebe Tiere, und jedes Mitglied meiner Familie tut oder tat das. Das war in der Familie meiner Kinderzeit so, das war in der Vergangenheit mit meinem Ex-Mann und unseren Kindern so, das ist auch heute mit meinem 2. Mann immer noch so. Ich erlebe am Rande auch mit, dass für viele meiner Kinder, egal was sie tun mögen, Tiere noch immer einen hohen Stellenwert einnehmen und sehr geliebt werden.
Viele Hunde haben uns alle im Laufe unseres Lebens begleitet und tun es noch heute.
Ich war nie ein Katzenfan und habe trotzdem besonders zu Blanka, unserer uralten Katze, eine ungewöhnliche Beziehung, die ich nur schwer beschreiben kann. Sie ist die einzige Katze, die jemals meine eigene war.
Ich hatte mein Leben lang Angst vor Pferden und habe sie nur angeschafft, um meinen Töchtern eine Freude zu machen. Ich kann bis heute nicht gut mit diesem großen und nicht ungefährlichen Tieren umgehen. Dennoch wurden sie schon früher für mich zum Lebensinhalt und sind es auch heute immer noch für meinen 2. Mann und mich. Wir leben und arbeiten für das Wohlergehen dieser Tiere. Ich hatte besonders bei unserem Pony Chiwa schon oft Angst um ihr Leben. Umso näher wuchs sie mir ans Herz, wenn sie immer wieder überlebte. Unsere unsere Prima, die damals hätte sterben sollen, wenn ich sie nicht bei mir aufgenommen hätte, ich fürchte und liebe dieses wild gewordene und unberechenbare Pferd gleichermaßen und bin ihretwegen schon meilenweit über meinen eigenen Schatten gesprungen. Alles das ist Liebe, die besonders dann wächst, wenn der Tod irgendwo in der Ferne seine Arme nach etwas ausstreckt, das wir lieben.
Manchmal kann Liebe auch Hass mit sich bringen. Das ist immer dann so, wenn jemand ein Tier oder einen Menschen, der uns nahe steht, in Gefahr bringt. Liebe und Hass sind deshalb wie Schwester und Bruder und gehören eng zusammen. Was sich unser Schöpfer dabei gedacht hat, ich weiß es bis heute nicht, obwohl ich mein ganzes Leben lang den Sinn des Lebens und auch sehr viel über das schwarze und weiße Pferd aus Platons Phaidron oder vom Schönen, das gemeinsam den Wagen ziehen muss, viel nachgedacht habe.
Als mein Leben besonders dunkel aussah, weil ich alle zu verlieren drohte, lernte ich meinen 2. Mann kennen. Auch er hat genau das begriffen, was mein Sohn hat sagen wollen, als er diesen bedeutungsvollen und wunderschönen Satz auf die Homepage von Mantus schrieb. Ich verliebte mich spontan in ihn, während er mir aus seinem Leben berichtete und auch die Geschichte erzählte, wie er mitten im Winter obdachlos durch die Straßen irrte, vom Erfrierungstod bedroht, denn er hatte nur einen Offenstall als Unterschlupf gefunden und nicht einmal einen Schlafsack, um sich darin zu wärmen, das bei Eis und Schnee mitten im Winter. Er hat mir erzählt, damals wurde ihm klar, dass er leben will und dass er wieder jemand lieben will. Tja, das bin heute wohl ich, das sind auch unsere Haustiere. Schon in den ersten Sekunden verliebte er sich, als er unsere Prima damals bei meiner Tochter Esther begrüßte.
Wir waren beide allein. Wir waren beide soweit, nicht böse auf die Menschen zu sein, die uns verlassen hatten, sondern einfach die Chance zu nutzen, im Alter noch einmal eine neue Chance für die Liebe zu bekommen, eine neue Liebe.
Mein 2. Mann Jürgen half mir mit Chiwa, mit Prima und dabei, meine totkranke Mutter bis zu ihrem Tod, bis zum letzten Tag, selbst zu pflegen. Es waren unglaublich schwere Zeiten, weil meine Mama oft halb wahnsinnig und sehr schwierig war. Wir nahmen sie überall hin mit, auch oft mit in den Stall, der unsere einzige Abwechslung in diesem schweren Alltag wurde.
Es war seltsam. Meine Mutter wurde kurz vor ihrem Tod erstaunlich klar. Sie erzählte mir, sie hätte in ihrem Leben nur einen Wunsch gehabt, nämlich ein eigenes Kind zu haben. Sie sei immer sicher gewesen, dass dieses Kind sie niemals im Stich lassen würde und immer für sie da sei. Sie hätte mich ihr Leben lang über alles geliebt. Ja, das hat sie, ich weiß es, so schwer wie das für mich auch gewesen ist, denn sie hat mich ein wenig zu sehr geliebt, wenn ich das anmerken darf.
Aber als sie gehen musste, war das ganz egal. Die Probleme, die wir miteinander gehabt haben mögen, und die waren nicht immer klein, sie waren in dem Moment, als ich ihre Hand hielt und sie die ersten Schritte über den Regenbogen begleitete, soweit es eben möglich war, einfach nicht mehr da.
Zurück blieb nur die Liebe in ihrer reinsten Form, und diese Liebe bleibt.
So anstrengend wie meine Mutter auch war, ich hätte sie gern noch länger behalten, aber ich musste ihre Hand los lassen, sie gehen lassen ... und niemand weiß wohin, auch ich nicht, obwohl ich dem Tod schon einmal selbst die Hand reichen durfte, aber nicht so lange, dass ich die andere Seite des Regenbogens erreicht hätte, von der noch nie jemand zurück hierher gekommen ist, um uns zu berichten, was uns dort erwartet, welche Aufgabe wir dort haben werden.
Tja ... Martin Schindler scheint seine Homepage aktualisiert zu haben. Deshalb erscheint die Notiz zu seinem Gedichtband, für das mein Jüngster damals das Vorwort schreiben durfte, als neu.

Ich suchte und fand leider auch nur noch Fragmente aus der Zeit, als mein Sohn noch selbst Musik gemacht hat ... das seltsame Stück "Von Wölfen und Menschen", die wunderschönen Klänge aus "Black White Red" und zu meiner Verwunderung auch zu "Alive in Wonderland", das auch von Grenzmord Industries stammen muss und das das ich bisher nicht kenne. Ich werde meinen Sohn fragen, ob er diese Stücke noch hat, wenn er uns wieder besuchen kommt. Ich mag seine Musik wirklich sehr und denke nicht, dass das so ist, weil ich seine Mutter bin. Ich denke vielmehr, er hat wirklich eine Begabung zu komponieren und seine melancholischen Stücke sind traurig, aber wunderschön.

Tja ... Erinnerungen kommen oft per Zufall zu uns zurück, und diese Erinnerung an eine kleine Textzeile meines Sohnes, die einmal viel Aufsehen unten den Fans von Mantus erregt hat, brachte mich heute auf die Idee, diesen Beitrag hier zur Erinnerung daran zu schreiben.

LG Renate






















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