Dienstag, 13. Juni 2017

Erinnerungen an Dinge, die nie stattgefunden haben

Ich frage mich oft, ob sowas auch in meiner Familie passiert


Ich habe unlängst was darüber im Fernsehen gesehen, dass es möglich ist, sich an Dinge zu erinnern, die nie so gewesen sind wie im Gedächtnis abgespeichert.

Menschen tun das zum Beispiel oft dann, wenn ihnen bestimmte Dinge immer wieder erzählt werden, die nie so waren. Irgendwann speichert das Gehirn so etwas als gewesen tatsächlich ab und die Menschen glauben, es so erlebt zu haben.

Sowas würde es Menschen sehr leicht machen, anderen Unrecht zu tun .. man hat so dann ja ein Alibi, an das man sich sogar erinnert, auch wenn diese Erinnerung falsch ist.

Ich bin deshalb froh, dass ich seit Jahren immer alles haarklein aufgeschrieben habe, was passiert ist. Da kann man dann nachlesen, was wirklich passiert ist.

Aber nun zu diesem Phänomen, denn das ist wissenschaftlich wirklich erwiesen. Es folgen ein paar Links:
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Daraus:

Das Gehirn kann jedoch nicht nur Informationen löschen, sondern sie auch (ungewollt) verfärben.
Jede Erinnerung wird von aktuellen Emotionen und Situationen so beeinflusst, dass sie vollkommen anders vom Original sein kann, wenn wir sie eines Tages abrufen. So kann sie z.B. falschen Orten, Zeiten und Personen zugeordnet werden, oder glücklicher/weniger glücklich erscheinen, als sie eigentlich war. Diese Fehlfunktion des Gehirns tritt im Alter besonders häufig auf und wird dann als altersbedingtes Assoziationsdefizit bezeichnet.
Erinnerungen können desweiteren auch von anderen Personen beeinflusst oder sogar erfunden werden. Wenn eine Person jemanden erzählt, er habe in der Kindheit eine bestimmte Situation erlebt, meint derjenige nach einer Weile oft, sich sogar daran erinnern zu können, obwohl die Situation niemals stattgefunden hat. Das Gedächtnis kann somit auch gefährlich manipuliert werden.
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 Daraus:


Wir vergessen Geburtstage, verlegen Schlüssel – und manches, an das wir uns erinnern, hat so nie stattgefunden. In unserem Gedächtnis geht so manches schief. Doch die Fehlleistungen geschehen nicht ohne Grund.
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Als die Polizei ihn 1975 aufsuchte, war der Gedächtnisforscher Donald Thompson schockiert. Eine Frau war vergewaltigt worden und hatte ihn eindeutig als Täter beschrieben. Doch Thompson hatte für den Vorfall ein Alibi: Zum Zeitpunkt des Verbrechens hatte er live ein Fernseh-​Interview zum Thema Gedächtnisverzerrungen gegeben. Er konnte also unmöglich der Täter sein. Warum aber hatte das Opfer ihn dann so genau beschrieben? Die Antwort überrascht: Unmittelbar vor der Vergewaltigung hatte die Frau das Interview im Fernsehen gesehen. Als Folge der traumatischen Erfahrung hatte ihr Gedächtnis den Ursprung der Erinnerung an Thompson verwechselt.
In den letzten 30 Jahren konnten Psychologen, Neurobiologen und Sozialwissenschaftler zeigen: Wir vergessen nicht nur, wir verdrehen, verzerren und verformen unsere Erinnerungen wie Knetgummi. Wir werfen durcheinander, wer uns etwas erzählt hat. Wir erinnern Erlebnisse, die nie stattgefunden haben. Es scheint, als hätte die Evolution beim Gedächtnis nicht richtig aufgepasst.
Der Psychologe Daniel L. Schacter von der Harvard University bezeichnet die vielen Fehlleistungen unseres Gehirns als Sünden, von denen er sieben ausgemacht hat. Die ersten drei, Flüchtigkeit, Geistesabwesenheit und Blockierung, sind vielen sicherlich bekannt. Sie treten auf, wenn wir Erinnerungen vergessen, den Autoschlüssel beim Auspacken des Einkaufs mit in den Kühlschrank legen oder auf einer Party partout nicht auf den Namen des alten Bekannten kommen.
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Auch bei der Suggestibilität erinnert das Gehirn etwas, das so nicht passiert ist. Ein bekanntes Beispiel ist die „Lost in the Mall“-Studie der Psychologin Elizabeth Loftus von der University of Washington: Darin wurde der Junge Chris von seinem älteren Bruder gefragt, ob er sich noch erinnere, wie er als Fünfjähriger im Einkaufszentrum verloren ging. Als der Junge verneinte, erzählte ihm sein Bruder davon. Nach einigen Tagen meinte Chris sich zu erinnern und konnte sogar den Mann beschreiben, der ihn zurück zu seiner Mutter brachte: „Ich glaube, er trug ein blaues Flanell-​Shirt, war ziemlich alt, hatte einen Kranz grauer Haare auf dem Kopf und eine Brille.“
Diesen Mann jedoch gab es nie. Ebenso wenig war Chris je in einem Einkaufszentrum verloren gegangen: Loftus hatte den älteren Bruder gebeten, sich eine Erinnerung auszudenken und sie seinem Bruder zu erzählen. Das allein genügte, um Chris das Gefühl zu geben, diese Geschichte tatsächlich erlebt zu haben.
In einer weiteren Untersuchung stellte Elizabeth Loftus fest, dass sich etwa ein Viertel der Teilnehmer bereits nach zwei Interviews, in denen sie auf bestimmte Erlebnisse aus ihrer Kindheit angesprochen wurden, an Ereignisse erinnert, die gar nicht stattgefunden hatten. Auch durch Hypnose oder Trauminterpretation lassen sich falsche Erinnerungen in das Gedächtnis der Patienten einpflanzen, entdeckte die Wissenschaftlerin. Doch veränderte Erinnerungen wirken sich nicht nur auf das Gedächtnis aus. Probanden, denen Loftus eingeredet hatte, ihnen sei als Kind von hartgekochten Eiern schlecht geworden, aßen danach weniger gerne Eier. „Wenn du eine Erinnerung veränderst, verändert sie dich“, betont Loftus. 
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Daraus:

Das Vergessen und Uminterpretieren sind wichtige Funktionen des Gehirns: Ein gutes Gedächtnis für sich allein bedeutet noch gar nichts. Menschen, die nicht vergessen können, sind praktisch nicht überlebensfähig. Hirnforscher Ernst Pöppel erklärt im Gespräch mit WELT ONLINE, warum das so ist. 
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WELT ONLINE: Wie verlässlich sind vor diesem Hintergrund Aussagen von Zeugen, die über Dinge berichten sollen, die sehr lange zurückliegen? Die in ihren Köpfen gespeicherten Bilder könnten ja im Laufe der Zeit unbemerkt verändert worden sein.
Pöppel: Eine wesentliche Erkenntnis meiner Arbeit ist, dass zurückliegende Bilder uminterpretiert und uminszeniert werden, um für die persönliche Identität des Einzelnen passend gemacht zu werden. Das zeigt sich schon daran, dass der Erlebende selber als Handelnder in dem eigenen episodischen Gedächtnis vorkommt. Wenn ich mich zum Beispiel an eine Situation erinnere, in der ich zehn Jahre alt gewesen bin, dann sehe ich mich als Person in der Szene. Das ist physikalisch unmöglich und ein klarer Hinweis darauf, dass eine Umdeutung stattgefunden haben muss. Insofern ist es natürlich völlig unmöglich, sich auf Zeugenaussagen zu verlassen, die sich auf die bildliche Repräsentation allein beziehen. 

WELT ONLINE: Wenn ich aber aus einer frischen bildlichen Erinnerung heraus Dinge ableite und diese dann sprachlich im Gehirn abspeichere, ist dann die Gefahr der Uminterpretation gebannt?
Pöppel: Nein. Es gibt keine eindeutige sprachliche Abbildung von Erlebnissen im Gehirn Ich kann immer nur sprachlich das Bild beschreiben, das sich in meinem Gedächtnis befindet. Damit ist die Sprache genauso vergiftet wie das Bild selber.
WELT ONLINE: Kann ein Gutachter die Qualität einer Zeugenaussage anhand von bestimmten Indizien erkennen?
Pöppel: Es wird ja oft gefordert, dass Zeugenaussagen stimmig sein müssen. Aufgrund der Uminterpretationen sind Zeugenaussagen aber eher dann verlässlich, wenn sie nicht ganz stimmig sind. Eine Aussage, die völlig klar und logisch ist, ist vermutlich gelogen. Denn unser Gedächtnis funktioniert so, dass wir bestimmte Sachen einfach nicht mehr erinnern können.
WELT ONLINE: Wissen das auch die Gerichtspsychologen? 

usw.

Das waren nur ein paar Beispiele von diesem komplexen Thema.

LG
Renate
 

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